Theater an der Josefstadt

Autor – Ödön von Horváth
Regie – Georg Schmiedleitner

Unter einer Wiesenbraut versteht man in München ein Fräulein, das man an einem Oktoberfestbesuch kennen lernt, und zu dem die Bande der Sympathie je nach Veranlagung und Umständen mehr oder weniger intimer geschlungen werden. Meistens wird die Wiesenbraut vom Standpunkt des Herrn aus gesehen – aber die Geliebte samt der Sehnsucht, die in der Wiesenbraut lebt, werden selten respektiert.

Oft will die Wiesenbraut nur lustig sein und sonst nichts, häufig will sie sonst auch noch etwas; nie aber denkt sie momentan materiell. Aber in der Wiesenbraut lebt häufig die Sehnsucht, dass es immer ein Oktoberfest geben soll; immer so ein Abend; immer eine Achterbahn; immer die Abnormitäten; immer Hippodrom im Kreise.

Seit es eine Oktoberfestwiese gibt, seit der Zeit gibt es eine Wienenbraut. Die Wiesenbraut verlässt die Ihren, verlässt ihr Milljöh – geht mit Herren, die sie nicht kennt, interessiert sich wenig für den Charakter, mehr für die Vergnügungen.

Die Wiesenbraut denkt nicht an den Tod.